"Charlie Hebdo": Bund für Geistesfreiheit München erinnert an Terroranschlag
Wie jedes Jahr hat der Bund für Geistesfreiheit München (bfg München) am 7. Januar, dem Jahrestag des Terroranschlags auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo, im Münchner Rationaltheater eine Veranstaltung durchgeführt. Damit möchte der bfg München der Opfer des Attentats vom 7. Januar 2015 gedenken, bei dem neun Mitarbeiter*innen der Zeitschrift und ein Personenschützer ermordet wurden. Mit dabei waren der Kabarettist HG Butzko, der Karikaturist Michael Heininger und der Sänger Heribert Haider. Zudem wurden preisgekrönte Werke des Kunstpreises "Frecher Mario" gezeigt.
Zu Beginn und während der Veranstaltung sang und spielte Heribert Haider (Foto: David Farago) einige Lieder des Komponisten, Sängner und Dichters Georg Kreisler.
Danach begrüßte Assunta Tammelleo, Vorsitzende des bfg München, das Publikum und wies dabei auch darauf hin, dass nach deutschem Recht die Mitarbeiter*innen von Charlie Hebdo für die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen zu einer Geld- oder Haftstrafe bis zu drei Jahren hätten verurteilt werden können, weil die Redaktion durch das Zeigen der Karikauren aus Sicht der deutschen Behörden die Störung des öffentlichen Friedens riskiert hätte. Denn obwohl die Kunst- und Meinungsfreiheit laut Art. 5 GG ein Grundrecht ist, müssen hierzulande, anders als in Frankreich, Karikaturist*innen und andere Kunstschaffende noch immer den sog. Blasphemie-Paragrafen, § 166 STGb ("Beschimpfung" von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften), fürchten.
Nach dem Terroranschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 machte sich die Welt kurze Zeit Gedanken über religiöse Karikaturen und Meinungsfreiheit. In den (sozialen) Medien wurde diskutiert, inwieweit die Anschläge auch mit Glaube und Religion zu tun haben und ob Religionen überhaupt verspottet werden dürfen. Zehn Jahre später ist davon nicht mehr viel übrig.
Die Forderung nach Abschaffung des aus dem Jahre 1871 stammenden § 166 unterstützt der bfg München seit 2008 mit der alle paar Jahre stattfindenden Ausschreibung des Kunstpreises "Der Freche Mario", der alle Künstler*innen ermutigen möchte, sich mit den sog. immerwährenden Wahrheiten und Autoritäten zu befassen. Er zeichnet Kunstwerke aus, die sich mit Glauben, Esoterik, Weltanschauungen und Religionen auseinandersetzen und ist mit 3.000 Euro dotiert. Zu sehen ist hier die Karikatur von Martin Perscheid, der 2019 den 1. Platz beim Frechen Mario belegte.
Auf der Veranstaltung präsentierte Assunta Tammelleo über zwanzig Werke, die seit 2008 am Frechen Mario teilgenommen haben und kündigte eine neue Ausschreibung an. Bis zum 1. Oktober 2025 können Texte, Musikstücke, Zeichnungen, Cartoons, Skulpturen, Theaterstücke, Kabarettbeiträge, Kurzfilme, etc. eingereicht werden.
Die Preisverleihung wird am 1. November 2025, an einem sog "Stillen Tag" in Bayern, stattfinden, an dem laut Bayerischem Feiertagsgesetz nicht getanzt und gefeiert werden darf. Die Örtlichkeit und der genaue Termin werden noch bekannt gegeben. Höchstwahrscheinlich wird die Veranstaltung wieder im Rationaltheater stattfinden.
Der Karikaturist Michael Heininger, der einen der Ermordeten der Charlie Hebdo-Redaktion persönlich kannte, schilderte auf der Gedenkfeier den Ablauf des Terroranschlags am 7. Januar 2015 in Paris.
Wie wichtig der weltweite Einsatz für Kunst- und Meinungsfreiheit nach wie vor ist, zeigt nicht zuletzt das tödliche Attentat auf die Redaktion des Satire-Magazins Charlie Hebdo. Auch in den letzten Jahren mussten wir mit ansehen, wie Kulturschaffende von religiösen Eiferern eingeschüchtert, verfolgt und sogar getötet - nur deswegen, weil sie es wagten, sich mit religiösen Glaubensvorstellungen kritisch zu befassen, oder sich darüber lustig machten. An dieser Stelle hat der bfg München auch an die Ermordung des französischen Lehrers Samuel Paty am 16. Oktober 2020 erinnert, der in seinem Unterricht das Thema Meinungsfreiheit thematisiert und Mohammed-Karikaturen gezeigt hat, und auch den Anschlag auf den Autor Salman Rushdie am 12. August 2022 erwähnt, der während einer Veranstaltung mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt wurde.
Im Anschluss präsentierte der Hirnschrittmacher des deutschen Kabaretts, HG Butzko, Ausschnitte aus seinem Jahresrückblick 2024. Assunta Tammelleo stellte ihn kurz vor.
Der bfg München wird sich weiter dafür einsetzen, dass Meinungs-, Presse-, Kunst- und Religionsfreiheit keine hohlen Floskeln sind, sondern geachtet und verteidigt werden. Schließlich sind diese Grundrechte mühsam genug durchgesetzt worden.
Am Ende der Veranstaltung führte der Karikaturist Michael Heininger, der als Studierender in Paris einen der 2015 Ermordeten kennenlernte, eine politische "Hampelmann-Entsteigerung" durch. Im Unterschied zu einer Versteigerung wurden die über zwanzig Hampelmänner und -frauen, die Heininger mitgebracht hatte und dem Publikum im Rationaltheater anbot, immer billiger. Entsteigert wurden Söder, Aiwanger, Meloni, Weidel, Trump, Musk und viele mehr.
Foto: David Farago
Und ganz zum Schluss bedankte sich David Farago im Namen aller säkularen Aktivist*innen für den jahrzehntelangen Einsatz von Assunta Tammelleo für die Trennung von Kirche und Staat sowie die Verteidigung der Bürger- und Menschenrechte.