Kirchentag in Nürnberg; „Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!“
Alle Jahre wieder reist „Moses“ zu katholischen oder evangelischen Glaubensfesten, um die Veranstalter an das „11. Gebot“ zu erinnern: „Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ Beim aktuellen Evangelischen Kirchentag, der vom 7. bis 11. Juni in Nürnberg stattfindet, wird „Moses“ vom „Nackten Luther“ begleitet, mit dem die Aktionsgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) auf den christlichen Judenhass hinweist, der gerade auch in der Geschichte Nürnbergs katastrophale Folgen hatte.
"Moses" und "Nackter Luther" stehen in der Königinstraße/Ecke Hallsplatz.
Mit zwei Großplastiken, einer „Kirchenaustritts-Beratungsstelle“ und einer Ausstellung zur jüdischen Geschichte des Hauptmarktes will das Aktionsteam „11. Gebot“ auf die fehlende Trennung von Staat und Kirche sowie die dunklen Seiten des Protestantismus aufmerksam machen, die im Kirchentagsprogramm weitgehend ausgeblendet werden. Immerhin war Nürnberg die „Stadt der Reichsparteitage“, die Stadt der nationalsozialistischen Rassengesetze („Nürnberger Gesetze“) und nicht zuletzt auch die Stadt des Gauleiters Julius Streicher, der in Nürnberg die antisemitische Wochenzeitung „Der Stürmer“ herausgab und später, beim „Nürnberger Prozess“, aussagte, Martin Luther müsste neben ihm auf der Anklagebank sitzen, da die antisemitische Propaganda des „Stürmer“ wesentlich auf Luthers Hetzschrift „Von den Juden und ihren Lügen“ zurückgehe.
Judenhass sei keineswegs eine Besonderheit des 20. Jahrhunderts gewesen, erklärt David Farago, Leiter der Aktionsgruppe „11. Gebot“: „An der Stelle des Nürnberger Hauptmarkts, auf dem jetzt der Evangelische Kirchentag gefeiert wird, befand sich einst das jüdische Ghetto Nürnbergs, das im Jahr 1346 völlig zerstört wurde. Bei dem damaligen, von Karl IV. unterstützten Pogrom kamen rund 600 Juden ums Leben. Dieser dunkle Aspekt der christlichen Geschichte sollte bei einem christlichen Glaubensfest, das genau am Ort des Geschehens stattfindet, nicht ausgeblendet werden.“
10 Millionen Euro Steuergeld für ein evangelisches Sommerfest?
Losgelöst von diesen notwendigen Erinnerungen an die Geschichte des Judenhasses kritisiert das „11. Gebot“ nicht zuletzt auch die außergewöhnlich großzügige Finanzierung des protestantischen Glaubensfestes, die nach Angaben Faragos „gegen den Verfassungsgrundsatz der weltanschaulichen Neutralität verstößt und zudem der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland widerspricht“: „Seit dem Frühjahr 2022 sind erstmals weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland Mitglied in der katholischen oder evangelischen Kirche. In Nürnberg haben beide Kirchen zusammen nur noch einen Anteil von rund 42 Prozent an der Bevölkerung. Daher können wir davon ausgehen, dass in diesem Jahr, dem Jahr des Kirchentages, die Konfessionsfreien in Nürnberg, erstmals in der Geschichte der Stadt, die Mehrheit stellen.“
Trotz dieser eindeutigen Veränderung in der Gesellschaft werde der Kirchentag in Nürnberg „mit mindestens 10 Millionen Euro von der öffentlichen Hand gefördert“, kritisiert Farago: „Im Einzelnen gibt das Land Bayern 5,5 Millionen Euro, der Bund 500.000 Euro und die Stadt Nürnberg drei Millionen Euro. Die Stadt fördert das religiöse Sommerfest laut Ratsbeschluss aber zusätzlich noch in Form von Sachleistungen und Gebührenbefreiungen im Wert von mindestens einer Million Euro. Von den Gesamtkosten in Höhe von 22 Millionen Euro trägt die öffentliche Hand daher 45,5 Prozent. Bleiben die Besucherzahlen so schwach, wie es sich aktuell abzeichnet, steigt dieser öffentliche Anteil sogar auf über 50 Prozent!“
In der Begründung für die Zuschüsse ging man noch von „weit mehr als 150.000 Teilnehmern“ aus. Stattdessen werden es nun wohl nur zwischen 50.000 und 70.000 Besucher sein. Farago rechnet vor: „Jeder Teilnehmer wird daher mit 143 bis 200 Euro aus Steuermitteln subventioniert. Eine absurd hohe Summe! Zum Vergleich: Beim gerade stattgefundenen „Rock im Park“ in Nürnberg wurde jedes Ticket mit exakt 0,00 Euro aus allgemeinem Steuergeld subventioniert – bei vergleichbarer Besucheranzahl.“
Der Vergleich mit städtischen Kultur- und Sportveranstaltungen, die ebenfalls gefördert werden, greife zu kurz, meint Farago: „Es ist ein allgemeiner Grundsatz des Haushaltsrechts, dass öffentliche Förderungen nur vergeben werden, wenn der Veranstalter die Kosten nicht selbst decken könnte. Während Kultur- und Sportvereine jedoch in aller Regel unterfinanziert sind, hat die Landeskirche in Bayern Rücklagen von über drei Milliarden Euro und allein 2022 Erträge in Höhe von 962 Millionen Euro erwirtschaftet. Um sich dem Argument zu entziehen, die Kirche könne die Veranstaltung nicht vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren, schiebt sie den ‚armen‘ Kirchentags-Verein als angebliche Laienbewegung und Veranstalter vor – doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Landeskirche Bayern und die EKD überall als Mitveranstalter genannt werden und das Spektakel mitfinanzieren.“