"Nürnberg will Tanzen" - Klage gegen Tanzverbot am 5. März 2025 vor dem Verwaltungsgericht in Ansbach
Der Bund für Geistesfreiheit München (bfg München) hatte unter dem Motto "Nürnberg will tanzen" eine Veranstaltungsreihe an Gründonnerstag/Karfreitag 2024 mit 14 Clubs in Nürnberg organisiert. Diese wurde vom Nürnberger Ordnungsamt mit Bescheid vom 25. März 2024 nicht genehmigt. Der bfg München hatte daraufhin seinen Anwalt beauftragt, eine Einstweilige Anordnung zu erwirken, mit dem Ziel die Partys doch noch zu ermöglichen. Die Anordnung wurde jedoch vom Bayerischen Verwaltungsgericht in Ansbach zurückgewiesen. Nun kommt es dort am 5. März 2025 zur Verhandlung. (Bayerisches Verwaltungsgericht, Promenade 24-28, 91522 Ansbach). Beginn ist um 9 Uhr.
Das Ordnungsamt Nürnberg befürchtete in seinem ablehnenden Bescheid, vor allem eine erhebliche Störung des Ruhe- und Stillecharakters des Karfreitags, da es sich um große publikumsstarke Betriebe im Innenstadtbereich handle.
Ganz anders als in Nürnberg hat der bfg München an Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag 2024 46 "Heidenspaß-Partys" in München, darunter übrigens viele große Clubs im Innenstadtbereich und eine im Landkreis Bad Tölz - Wolfratshausen veranstaltet. Fünf weitere Partys wurden vom bfg Regensburg durchgeführt.
Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 darf trotz Musik- und Tanzverbots an sog. Stillen Tagen gefeiert werden. Die Richter*innen in Karlsruhe hatten am 7. Oktober 2016 entschieden, dass Artikel 5 des Bayerischen Feiertagsgesetzes mit der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar ist. Damit folgte es einer Verfassungsbeschwerde des bfg München, der sich nach dem Verbot seiner "Heidenspaß- statt Höllenqual-Party" an Karfreitag 2007 durch alle Instanzen geklagt hatte.
Seitdem sind an Karfreitag und allen anderen "Stillen Tagen" Ausnahmen möglich, wenn Feste und Feiern Ausdruck einer weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber christlichen Glaubensbekenntnissen sind. Das trifft auf die Veranstaltungen und Partys des bfg München zu. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts tritt ein für die strikte Trennung von Kirche und Staat sowie für Bürgerrechte, Demokratie und das Recht auf Selbstbestimmung. Die Organisation versteht sich als Weltanschauungsgemeinschaft und orientiert sich an der Charta der Menschenrechte und den Grundsätzen der Aufklärung.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil festgestellt, dass "(...) Bevölkerungsteilen anderer kultureller und weltanschaulich-religiöser Prägung durch die Auswahl des Feiertages und seinen Schutz insofern keine unzumutbaren Belastungen auferlegt werden (dürfen), als niemand gezwungen werden darf, diesen Tag entsprechend einer bestimmten religiösen Überlieferung oder auch nur im Sinne innerer Einkehr zu begehen." (BVerfG, v. 27.10.2016 1 BvR 458/10 RDNr. 66)
Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit sowie die Versammlungsfreiheit
"Als Weltanschauungsgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts, die rechtlich den christlichen Kirchen gleichgestellt ist, sehen wir im Vorgehen der Stadt Nürnberg nicht nur einen Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit sondern auch in die Versammlungsfreiheit," stellt Assunta Tammelleo, Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit München, fest.
Tammelleo weiter: "Die 14 Veranstaltungen in Nürnberg waren geplant als eine provokative Gegenveranstaltung zum Gründonnerstag und Karfreitag der christlichen Kirchen. Wir möchten mit unseren Partys Lebensfreude vermitteln. Dies wollten wir auch mit Musik erreichen, die neben den regelmäßigen Redebeiträgen ein wichtiges Mittel ist, um unsere Weltanschauung zu transportieren. Unsere (Heidenspaß-)Partys sind aber auch ein demonstrativer Protest gegen die 'Stillen Tage', an denen laut bayerischem Feiertagsgesetz (FTG) Art. 3, Abs. 2 'öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt (sind), wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist'."
Die Stadt Nürnberg hatte, bevor sie die Genehmigung der Veranstaltungen verweigerte, dem bfg München noch angeboten, die Genehmigung für eine Party zu erteilen. Der bfg München hat dies abgelehnt. "Das Ordnungsamt der Stadt hat nicht zu beurteilen, wie viele Veranstaltungen eine Weltanschauungsgemeinschaft durchführt, sie fragt ja auch nicht danach, wie viele christliche Messen an einem Sonntag gelesen werden," kritisiert die Vorsitzende des bfg München das Vorgehen der Stadt.
Tanzverbot abschaffen
Die Forderung des bfg München ist klar: "Tanzverbote sind Instrumente der Bevormundung und Kontrolle von Menschen. So etwas hat in einem demokratischen Rechtsstaat nichts zu suchen. Unser Ziel ist es, diese obrigkeitsstaatlichen Relikte zu schleifen, sagt Assunta Tammelleo. "Warum sollte jemand an stillen Tagen nicht einfach tanzen dürfen? Woran soll sich ein gläubiger Christ an Gründonnerstag stören, wenn eine Party in einem geschlossenen Raum stattfindet? Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Menschen Vorschriften zu machen, wie sie an einem Feiertag ihre Freizeit verbringen sollen. Selbstverständlich sollen und dürfen Christ*innen, in Stille und Trauer gedenken. Sie dürfen aber nicht Anders- und Nicht-Gläubige zwingen, es ihnen an einem solchen Tag gleich tun zu müssen. Kurzum: Das bayerische Feiertagsgesetz muss endlich liberalisiert werden."
Eines ist der Vorsitzenden noch wichtig zu betonen, weil der Vorwurf immer wieder erhoben wird. "Nein, wir wollen keine gesetzlichen Feiertage abschaffen, aber wir können uns eine Umbenennung von Feiertagen in einem immer säkularer werdenden Land gut vorstellen. Und wir plädieren für andere gesetzliche Feiertage, z.B. Internationaler Frauentag am 8. März, Tag der Befreiung am 8. Mai oder Tag der Menschenrechte am 10. Dezember."
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht an Aschermittwoch, einem sog. Stillen Tag
Pikanterweise findet die Verhandlung in Ansbach an einem sog. Stillen Tag, dem Aschermittwoch, statt. Die meisten wissen überhaupt nicht, dass dieser auch zu den Stillen Tagen gehört. Und das zu erwähnen wird auch nicht so hochgehängt, finden doch an diesen Tagen die politischen Aschermittwochs-Veranstaltungen vieler Parteien statt, auf denen es bei einigen Parteien zum guten Ton gehört, sich bestenfalls über den politischen Gegner lustig zu machen, schlimmstenfalls ihn als Person herabzuwürdigen.
Wie aber kann das sein, dass solche Veranstaltungen stattfinden dürfen, wenn doch laut FTG Art . 3, Abs. 2 "der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter" gewahrt sein muss?
Ganz einfach: Nur "öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen" sind vom Art. 3 Abs. 2 FTG betroffen. Das geht aus Antworten verschiedener Ordnungsämter auf eine Anfrage von Radio LORA München hervor, die uns der Sender zur Verfügung gestellt hat.
"Um den angeblich so wichtigen ernsten Charakter des 'Stillen Tages' müssen sich die formal politischen Aschermittwochs-Veranstaltungen also nicht scheren, obwohl diese Veranstaltungen eher mit Inhaltsleere glänzen. Und laute Blasmusik gehört halt in Bayern zur Folklore. Das ist im Grunde überhaupt kein Problem. Wer sich gerne Söder und Aiwanger und das Gegröle über deren magere Witzchen anhören mag, soll das tun, gerne auch an einem Stillen Tag. Aber zugleich an diesen Tagen das Feiern und Tanzen in Clubs und Discotheken zu verbieten, das ist schon eine ziemlich verlogene Politik der bayerischen Staatsregierung. Entweder jemandem ist der ernste Charakter eines Tages wichtig oder eben nicht," sagt Assunta Tammelleo.