ver.di: Katholische Kirche beharrt auf diskriminierendem Arbeitsrecht - Gesetzgeber muss eingreifen

Hat der Sonderweg „Kirchliches Arbeitsrecht” noch eine Zukunft?
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Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat die am 22. November 2022 von der Vollversammlung der Diözesen Deutschlands beschlossene neue Grundordnung der katholischen Kirche kritisiert. Wir dokumentieren die Pressemitteilung der Gewerkschaft vom selben Tag:
 
„Die beschlossene Reform ist völlig unzureichend. Es darf nicht länger akzeptiert werden, dass die katholische Kirche in die Lebensführung ihrer Beschäftigten eingreift, Menschen diskriminiert und ihnen weiterhin grundlegende Rechte verweigert", erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Die Bischöfe scheinen in einer völlig anderen Welt zu leben als der überwiegende Teil der Bevölkerung. Sie reagieren nur nach massivem öffentlichen Druck und dann auch nur mit minimalen Verbesserungen. Die Bundesregierung kann nicht länger dulden, dass unter dem Dach der Kirche in erheblichem Ausmaße Unrecht geschieht."
 
So könne Beschäftigten der katholischen Kirche oder ihres Wohlfahrtsverbandes Caritas gekündigt werden, wenn sie aus der Kirche austreten. „Glaube ist eine sehr persönliche Angelegenheit, es darf doch nicht sein, dass man als Krankenschwester im Krankenhaus oder als Erzieherin in der Kindertagestätte seine Stelle verliert, wenn man sich entscheidet, nicht mehr einer Kirche anzugehören. Schließlich gibt man bei einem Kirchenaustritt weder die berufliche Professionalität noch das Engagement ab", so Bühler. Ein weiterer Kündigungsgrund sei sogenannte „kirchenfeindliche Betätigung". Was gegen die Werteordnung der Kirche verstoße, lege diese selbst fest. „Es kann zum Beispiel Kündigung drohen, wenn jemand für die Abschaffung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen demonstriert. Das ist nicht hinnehmbar", stellte die Gewerkschafterin klar. Tarifverhandlungen auf Augenhöhe erteile die Kirchenspitze mit der neuen Grundordnung erneut eine Absage. Sie weigere sich weiterhin, das Grundrecht der Beschäftigten auf Streik anzuerkennen und bestehe auf einer schwächeren betrieblichen Mitbestimmung als im weltlichen Arbeitsrecht, auch Unternehmensmitbestimmung unter Beteiligung der Beschäftigten ist nicht in Sicht.  

„Diese Realitätsverweigerung ist erstaunlich", kritisierte Bühler. „Die rund 25.000 karitativen Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen finanzieren sich fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln. Trotzdem dürfen die katholischen Arbeitgeber mit Billigung des Staates ihren Beschäftigten Rechte vorenthalten, die in jedem anderen Betrieb gelten. SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag die Prüfung des kirchlichen Sonderrechts vereinbart. Die Bischöfe haben erneut gewichtige Argumente für ein Eingreifen des Gesetzgebers geliefert. Die Bundesregierung muss die nötigen Konsequenzen zu ziehen."